Berechnungen zur Funktionalen Sicherheit
Größen, Formeln und Methoden
2 Zuverlässigkeit und verwandte Größen
2.1 Zuverlässigkeit und Unzuverlässigkeit
Zuverlässigkeit
Unzuverlässigkeit
Bei praktisch allen Fragestellungen wählt man
Sie wird manchmal auch als Überlebenswahrscheinlichkeit bezeichnet.
Anmerkung: Die Unzuverlässigkeit wird oft auch Ausfallwahrscheinlichkeit genannt. Allerdings wird auch die Nichtverfügbarkeit oft mit Ausfallwahrscheinlichkeit bezeichnet, obwohl sie eine völlig andere Größe ist. Um Missverständnisse zu vermeiden, sollte der Begriff Ausfallwahrscheinlichkeit daher nicht verwendet werden.
Anmerkung: Insbesondere bei Fahrzeugen bezieht man die Zuverlässigkeit und auch die nachfolgenden Größen manchmal auf die zurückgelegte Strecke. Aus
-
Beispiel 2.1 Gefragt sei die Wahrscheinlichkeit
, dass eine Komponente mit dem Alter innerhalb der nächsten Stunde ausfällt. Dabei soll nicht vorausgesetzt werden, dass sie zum Zeitpunkt noch funktioniert:
-
Beispiel 2.2 Gefragt sei die Wahrscheinlichkeit
, dass eine Komponente mit dem Alter , die zum Zeitpunkt noch funktioniert, innerhalb der nächsten Stunde ausfällt:
-
Beispiel 2.3 Aus langjähriger Erfahrung sei bekannt, dass die Zuverlässigkeit bzw. Unzuverlässigkeit den in Abbildung 1 dargestellten (kumulierten) Verteilungsfunktionen folge.
Frage 1: Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Komponent mehr als 40000 Stunden funktioniert?
Antwort:
. Folglich wird die Komponente mit 20% Wahrscheinlichkeit länger als 40000 Stunden funktionieren.Frage 2: Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Komponente zwischen 40000 und 50000 Betriebsstunden ausfällt?
Antwort:
. Die Komponente wird also mit 15% Wahrscheinlichkeit nach 40000 bis 50000 Stunden ausfallen.Frage 3: Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Komponente zwischen 40000 und 50000 Betriebsstunden ausfällt, wenn sie bei 40000 Stunden noch funktioniert hat?
Antwort:
.
2.2 Ausfalldichte und Ausfallrate
Die Änderung der Unzuverlässigkeit pro Zeit ist die Ausfalldichte. Für beliebige Ausfalldichtefunktionen
Im Gegensatz zur Unzuverlässigkeit ist die Ausfalldichte keine Wahrscheinlichkeit. Sie kann beliebige positive Werte annehmen und hat eine Dimension (meist 1/Zeit oder 1/Strecke).
Da die Unzuverlässigkeit für
Die Ausfallrate
Mit
Eine Ausfallverteilung ist durch
Abbildung 2 zeigt eine beispielhafte Ausfallverteilung und die sie beschreibenden Größen.
Anmerkung: Während die Symbole
Die Ausfallrate
Hierbei muss das Zeitintervall
2.3 Badewannenkurve
Jedes nicht extrem einfache Bauteil kann auf unterschiedliche Weise ausfallen. Jeder dieser Ausfallmodi hat eine eigene Ausfallverteilungsfunktion. Fast immer gibt es Ausfallmodi mit abnehmender Ausfallrate, diese sind meist auf Produktionsfehler zurückzuführen. Bei mechanischen oder auch stark belasteten elektronischen Bauteilen gibt es auch Ausfallmodi mit steigender Ausfallrate, dies sind insbesondere die auf Verschleiß oder Alterung zurückzuführenden Ausfälle. Die Gesamt-Ausfallrate ergibt sich durch Addition der Einzel-Ausfallraten aller n Fehlermodi:
Sobald es mindestens je einen Ausfallmodus mit fallender und einen mit steigender Ausfallrate gibt, ähnelt der Graph der Gesamt-Ausfallrate
2.4 Mittlere Zeit bis zum Ausfall (MTTF)
Die mittlere Zeit (genauer: Betriebsdauer) bis zum Ausfall (engl.: Mean Time To Failure, kurz MTTF) ist der Erwartungswert der Zeit bis zum Ausfall. Sie berechnet sich für beliebige Ausfallverteilungen wie folgt:
Dieser Wert wird in Abschnitt 3 als natürliche MTTF bezeichnet, da es der Wert ist, der sich experimentell ergibt, wenn die Komponente immer bis zum Ausfall betrieben wird und dann ersetzt wird. In der Praxis ist dies jedoch oft nicht der Fall, so dass insbesondere zur Bestimmung von mittleren Ausfallraten andere Formeln gelten, siehe Abschnitt 3.
2.5 Verteilungsfunktionen
In diesem Abschnitt werden einige Verteilungsfunktionen vorgestellt, die in der Praxis oder für nachfolgende Betrachtungen relevant sind. Weitere Verteilungen sind in Anhang C beschrieben.
2.5.1 Exponentialverteilung
Die Exponentialverteilung zeichnet sich durch eine konstante Ausfallrate
Die Exponential-Verteilung ist durch die folgenden Gleichungen beschrieben:
Die mittlere Zeit bis zum Ausfall ist:
-
Beispiel 2.4 Gefragt ist die Wahrscheinlichkeit
, dass eine Komponente mit dem Alter , die zum Zeitpunkt noch funktioniert, innerhalb der nächsten Stunde ausfällt. Es sei bekannt, dass die Komponente sich durch eine konstante Ausfallrate beschreiben lässt. Wie zu erwarten war, taucht das Alter der Komponente im Ergebnis nicht auf.
Viele Elemente lassen sich durch eine konstante Ausfallrate hinreichend genau beschreiben. Insbesondere kann bei Elementen eines Systems, deren Lebensdauer kürzer ist als die System-Einsatzdauer, und die nicht zu bestimmten
Zeitpunkten präventiv getauscht werden, im Rahmen von System-Berechnungen ohnehin nur eine konstante mittlere Ausfallrate
2.5.2 Weibull-Verteilung
Die Weibull-Verteilung ist eine Verallgemeinerung der Exponentialverteilung. Durch einen zusätzlichen Parameter
Fehlermodi, die ausschließlich auf Abnutzung zurückzuführen sind, können in der Regel für eine bestimmte Zeit
Hinweis:
Insbesondere im englischsprachigen Raum wird die Weibull-Verteilung oft mit
Die Abbildungen 4 und 5 und zeigen eine Weibull-Verteilung mit fallender Ausfallrate (k=0,5) und eine mit steigender Ausfallrate (k=3).
2.5.3 Sterblichkeit
Auch die Sterblichkeit des Menschen ist eine Verteilungsfunktion, wenngleich diese nicht direkt einer mathematische Funktion folgt. In Abbildung 6 ist die Querschnittsbetrachtung der Sterblichkeit der westdeutschen Bevölkerung in den Jahren 1960-1962 dargestellt.
Die Querschnittsbetrachtung basiert auf der Statistik der Todesfälle in dem genannten Zeitraum. Sie macht damit insbesondere eine Aussage über das tatsächliche mittlere Sterbealter der Menschen, die in diesem
Zeitraum gestorben sind. Die Sterberate
Im Gegensatz zur Querschnittsbetrachtung macht die sogenannte Längsschnittbetrachtung eine Aussage über die Sterbeverteilung der in dem jeweiligen Zeitraum geborenen Menschen. Statistische Längsschnittbetrachtungen können also nur für Geburtsjahrgänge gemacht werden, von denen kein Mensch mehr am Leben ist. Für spätere Jahrgänge stellen sie ganz oder teilweise Prognosen dar. Wäre die Sterblichkeitsverteilung unabhängig vom Jahrgang, wären Querschnitts- und Längsschnittverteilung identisch. Für die Längsschnittbetrachtung sind die Größen unmittelbar anschaulich:
-
• Die Zuverlässigkeit (Überlebenswahrscheinlichkeit)
ist die Wahrscheinlichkeit, das Alter zu erreichen. -
• Die Unzuverlässigkeit (Ausfallwahrscheinlichkeit)
ist die Wahrscheinlichkeit, vor Erreichen des Alters zu sterben. -
• Die Ausfalldichte
ist die Wahrscheinlichkeit, im Alter zwischen und zu sterben, dividiert durch den Zeitraum , mit . -
• Die Ausfallrate
ist die Wahrscheinlichkeit, im Alter zwischen und zu sterben, unter der Bedingung, das Alter erreicht zu haben, dividiert durch den Zeitraum , mit . -
• Die MTTF ist die Lebenserwartung eines Neugeborenen.